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Mit dem Mofa zum Leuchtturm Westerhever

"Wie bist du denn darauf gekommen?"

Gut, Bilder vom Leuchtturm gibt es im Internet zuhauf und wenn man es etwas persönlicher in Form eines Selfies haben möchte, könnte man auch mit dem Auto hinfahren, Bild machen und wieder zurück.

So ein Aufwand schien mir für ein stumpfes Selfie doch zu groß, also hab ich ein paar Tage lang mein Mofa wieder auf Vordermann gebracht, gepackt und dann ging es auch schon los.

Die Antwort auf die Frage ist schlicht: Manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann eben tun muss!

 Hercules Prima GTHercules Prima GT

"Sie ist fertig"

"Ja, fix und fertig"

"Hannibal soll dieser Racker heissen und es gibt nichts was uns aufhalten kann"

(Aus "Das verrückte Rennen um die Welt")

Eingepackt werden darf nur das Nötigste!
Da wir keinen Möbeltransporter haben, ist Askese angesagt - Zahnbürste kann, Werkzeug muss!

By the way, mit 52 hat man doch etwas andere Prioritäten als in jungen Jahren:

Reiseapotheke mit Blutdruck- und Cholesterinsenkern, Ibu und VoltarenReiseapotheke mit Blutdruck- und Cholesterinsenkern, Ibu und Voltaren

 

Erster Reisetag

Irgendwann ging es dann auch mal los, erste Herausforderung war die Strecke von Todendorf nach Hammoor.
Die "Straße" war dermaßen im Eimer, dass eine Maico GS 250 wesentlich besser geeignet wäre um diesen Trial zu überwinden.

Die Ampel für Radfahrer am Kreuz Hammoor lies sich ziemlich viel Zeit, kann auch dran gelegen haben dass ich erst nach ein paar Minuten gerafft habe dass man drücken muss damit sich auch mal was tut.

So kurz vor Bargteheide kam das, wovor mich mein Freund Klaus gewarnt hat: beim Ausflug mit seinem Mofaclub zum Fischmarkt taten allen höllisch die Hintern weh, nu fing meiner auch an zu zwiebeln.

Das gab sich aber im Laufe der Zeit bei mir, und erst zum Abend hin jeweils wurde es schlimmer.

Kann sein, dass mein durch tägliche Büroarbeit gestählter Hintern dahingehend eine andere Fitness aufweist.

In Bargteheide angekommen musste ich schnell feststellen, dass das Fahrradwegenetz sich doch tatsächlich vom bekannten Straßenwegenetz unterscheidet.
Und so kam es, dass ich etwas gemacht habe, was sonst so gar nicht meine Art ist: ich habe nach dem Weg gefragt!

Warum Männer grundsätzlich nicht nach dem Weg fragen liegt auf der Hand: Der Gefragte könnte ja denken dass man sich hier nicht auskennt!

Das war mir in diesem Falle wurscht, der Mann, der grad mit seinem Hund Gassi ging war unheimlich nett, gab vernünftige Auskunft und berichtete dass er seinerzeit auch eine Prima GT fuhr :)

Ok, dass ich von Hause aus Zündapplastig bin und nur durch Zufall an die Hercules kam, behielt ich an dieser Stelle für mich.

Übrigens waren nahezu alle Leute unheimlich nett drauf, bis auf einen einzigen Vollspacken, zu dem kommen wir aber noch später. 

Ich habe zugesehen, dass ich in etwa alle 25 km eine Pause machte, was bei meiner amtlichen Höchstgeschwindigkeit so alle Stunde sein sollte.

Amtlich heisst, an der Mofa ist nix frisiert. Nur zu oft bekomme ich zu hören "da kann man doch was machen", jo - kann man, und wozu?
Ich habe Klasse 1 (A) uneingeschränkt und wenn mir das Mofa zu langsam sein sollte gibt es auch PS Wunder jenseits der 25er Marke von Hause aus die ich fahren könnte, will ich aber nicht.

Auf der Karte sah es recht einfach aus, in Kayhude kurz rechts, dann links und weiter.
Nur das nächste "Links" war gesperrt und auch nach einigen Kilometern gab es kein weiteres Links, der Umleitungspfeil zeigte immer weiter geradeaus. 
So ging es dann weiter durch Nahe und Höhe Itzstedt kam mir die Erkenntnis, dass wenn Umleitungen für Fahrzeuge wie Autos, Motorräder und Fernzüge gemacht sind, dann sind die Sperrungen logischerweise auch eben nur für diese.
Eine Erkenntnis die mich von da an auf der Reise einiges an Weg und Zeit gespart hat, sollten mich doch noch mindesten vier Sperrungen heimsuchen.

Städte mit dem Mofa zu durchqueren ist kein besonderes Vergnügen.
Das einzig Schöne ist, dass man sich die Rosinen rausgepicken kann zwischen Benutzung der Straße und der Radwege.

Nach so ziemlich genau 111 km der erste Kontakt zur Elbe bei Borsfleth :)

Borsfleth, direkt hinter GlücksstadtBorsfleth, direkt hinter Glücksstadt

Nun kommt auch langsam das typische dieser Gegend, nämlich sehr viel Gegend mit sehr langen (leider nicht immer besten) Wegen:

Strecke von Glückstadt nach BrunsbüttelStrecke von Glückstadt nach Brunsbüttel

Vorbei noch am Kernkraftwerk Brokdorf dann endlich in Brunsbüttel auf die Fähre über den Nordostseekanal.

Für mich persönlich etwas, was Erinnerungen weckt.
An das Jahr 1985, als ich in Brunsbüttel gearbeitet habe und mit meiner XT 500 abends vor dem Auslaufen auch diese Fähre genommen habe.

Brunsbüttel: Fähre über den NordostseekanalBrunsbüttel: Fähre über den Nordostseekanal

Seinerzeit kramte ich auf der Fähre noch wie blöd nach Kleingeld, die Peinlichkeit blieb mir heute erspart.

Ich hatte keine Ahnung wie hoch der Verbrauch meiner Mofa war, ich hatte sonst halt immer getankt wenn es an der Zeit war aber nie gemessen wie viel km ich gefahren bin.
So war ich doch recht angenehm überrascht dass ich nach knapp 140 km gerade mal nur bummelig 4 Liter bunkern brauchte.

In Brunsbüttel war ich spitzenmäßig untergebracht im Schleusenhotel, die hatten sogar eine Garage für mein Mofa.
Es liegt mitten in einer Einkaufsstrasse, dennoch war es des Nachts extrem ruhig, selbst bei offenen Fenster.
Nun wollte ich was essen, der Sinn stand mir nach Fisch. 
Ich ging die Koogstrasse drei mal auf und ab und weil ich nichts adäquates gefunden habe, entschied mich am Ende für einen Dönerteller.
Umso ärgerlicher war es, als ich nach dem Mahl endlich zu den Schleusen runterging, dass an der Promenade ein Restaurant war in dem man draussen bei herrlichen Wetter mit Blick auf die Schleusen das Tagesgericht einnehmen konnte: Maischolle mit Salzkartoffeln und Salat - zum gleichen Preis wie der Dönerteller :(

Zweiter Reisetag

So gegen halb neun sollte es nach einem spitzenmäßigen Frühstück dann losgehen Richtung Marne, das Mofa sprang wie üblich auf Schlag an und war noch nicht einmal auf Betriebstemperatur, da kam schon die nächste Sperrung.
Das Thema haben wir bereits ausführlich behandelt, also weiter.

Etwas mulmig wurde mir auf der B5 schon, ist es doch eine gut ausgebaute Straße mit einem recht schmalen Mehrzweckstreifen der mir allerdings zeitweise das Gefühl gab den Standstreifen einer Autobahn zu befahren.

Wenn es später immerhin doch einen Radweg gab, wurde die Strecke dann recht lang und weilig.
An der Stelle wo das nächste Foto entstanden ist, entschied ich mich doch links nach Friedrichskoog abzubiegen und mit Chance die Seehundstation zu besuchen.

 zwischen Marne und Meldorf, Höhe Friedrichskoogzwischen Marne und Meldorf, Höhe Friedrichskoog

Die Seehundstation hatte noch nicht auf, dennoch warteten Heerscharen von Kindern und Eltern bereits vor den Toren und da ich auf Touristenansammlungen nun wirklich nicht den Nerv hatte bin ich bereits beim ersten "Vincent, lass das bitte!" gleich wieder weiter.

In Friedrichskoog war dann ein Fischrestaurant ganz nach meinem Geschmack, leider noch viel zu früh:

Fischrestaurant in FriedrichskoogFischrestaurant in Friedrichskoog

Belohnt wurde ich dann aber in einer der wohl schönsten Ecke die Norddeutschland zu bieten hat, den Kaiserin- Auguste- Viktoriakoog.

Ich habe versucht das Bild einzufangen, selbst mit Panorama kommt man nicht annähernd an das ran, was auf einen einwirkt. 
Meine Versuche dazu könnt ihr euch in der Bildergalerie anschauen.

In jede Richtung 11 km freie Sicht, dazwischen Natur pur.
(Die freie Sicht bedrückt beim pinkeln jedoch etwas)

Weiter ging es dann mal links mal rechts vom Deich, die Wege waren wie folgt beschildert (leider habe ich kein Bild davon gemacht):

  • Oben Vz 250 (Verbot für Fahrzeuge aller Art,  der rote Kringel halt)
  • Unten ein oder mehrere Zusatzschilder mit sehr sehr viel Text, unter anderem Radfahrer frei und jetzt das wichtigste am Ende: "Kein öffentlicher Weg"

Na also Herr Richter, wir beide wissen doch dass die StVO nur auf öffentlichen Wegen und Plätzen ohne Rücksicht auf die Widmungs- und Eigentumsrechte gilt.

Also freie Bahn mit Marzipan.

Büsum wollte ich nur so schnell wie möglich hinter mich bringen, und dann ging es leider nicht mehr am Deich sondern im Zickzack via Wesselburener Koog zum Eidersperrwerk.

Eidersperrwerk, Blick zur NordseeEidersperrwerk, Blick zur Nordsee

Schön zu sehen, auch trotz Baumaßnahmen am Sperrwerk darselbst.

Nun kommt aber der Moment, der mir bald die schöne Tour komplett versaut hat:
Vom Eidersperrwerk aus Richtung Norden führt eine stark und sehr schnell befahrene Landstraße, so dass man mit dem Mofa nur zwei Möglichkeiten hat: entweder man eiert zwischen vorbeirasenden Autos und Leitplanke lang und wird im besten Falle nur angehupt oder aber man nimmt den Fahrradweg auf der linken Seite.
Hier haben die örtlichen Behörden den Zusatz "Mofas frei" geschickt weggelassen, aber die Ordnungswidrigkeit von 10€ zahl ich in diesem Falle gerne.
Der Fahrradweg ist breit genug für Begegnungsverkehr, aber als mir ein Paar auf Fahrrädern entgegen kam scherte der Mann aus und fuhr neben seiner Frau direkt mit Absicht auf mich zu dass ich nur mit einer Vollbremsung zum Stehen kam und er fuhr erst im allerletzten Augenblick zur Seite und zeigte mir einen Vogel.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Da maßt sich dieser selbsternannte Wannabe an, meine Ordnungswidrigkeit dadurch zu maßregeln indem er 
1. gegen §1 StVO Abs. 1 und 2 gravirent verstößt,
2. Nötigung
3. Beleidigung und
4. gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr 
begeht, denn ein Ausweichmanöver meinerseits auf die Landstraße (auf der Seite war keine Leitplanke) hätte sehr böse ausgehen können.
Blöderweise hatte ich keinen Zeugen der für mich hätte aussagen können und da die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass ein Richter Mitglied in einem Fahrradclub als ein Mofaschrauber ist, kommt dieser evolutionäre Beifang wohl auch noch mit dem Gefühl davon etwas Gutes für die Menschheit getan zu haben. 

Dagegen war das was als nächstes kam vergleichsweise harmlos: Etwa 6 km vor dem Ziel flutschte ein Federbein aus seinem Gummilager:

Federbein ist aus dem Gummipuffer gerutschtFederbein ist aus dem Gummipuffer gerutscht 

Ursache war, dass ich keine ausreichend große Scheibe zwischen Gummipuffer und Mutter gepackt hatte.

Aber da ich das Nötigste an Werkzeug mit hatte, war das ein Kinderspiel, Zahnbürste hätte jetzt nichts genützt (Hatte ich natürlich trotzdem mit)...

 Vernünftiges Werkzeug anbeiVernünftiges Werkzeug anbei

... war es doch recht einsam an der Stelle:

Weit und breit - nixWeit und breit - nix

Eine entsprechende Scheibe war auf der anderen Seite des Bolzens, um da ranzukommen musste ich das Rad einmal aus- und wieder einbauen und hab dabei einen unverzeihlichen Fehler gemacht, denn bereits 2 km weiter wollte ich an einer Kreuzung nur leicht anbremsen und das Hinterrad blockierte:

Bremsstange um die Radnabe gewickeltBremsstange um die Radnabe gewickelt

Na toll, beim Einbau des Rades nicht darauf geachtet dass die Bremse in die Führung gehört :(

Rad ausgebaut, Bremsstange wieder hingebogen und als Sicherungssplint musste halt der Ring vom Schlüssel herhalten (Hab anschliessend noch die Feder vom Bremslichtschalter in den Ring eingehakt, Schalter tut's eh nicht):

Alles wieder gutAlles wieder gut

Nun aber die letzten Km zum Leuchtturm, zu sehen ist er schon (direkt über der Sitzbank)

Leuchtturm, zu sehen ganz klein direkt über der SitzbankLeuchtturm, zu sehen ganz klein direkt über der Sitzbank

Nach insgesamt 245 km war das Ziel erreicht.

Direkt zum Leuchtturm kommt man nur zu Fuß, der Knaller ist der gebührenpflichtige Parkplatz davor, ich könnte mich wegschmeissen vor Lachen:

 gebührenpflichtiger Parkplatzgebührenpflichtiger Parkplatz

Da hat man ernsthaft für die paar Quadratmeter Schranke, Zaun etc. eingerichtet und wenn man sich umschaut - Gegend ohne Ende :)

Mit Mofa jedenfalls ging es direkt zum Deich und dann hab ich halt versucht ein Selfie zu machen, war gar nicht so einfacht, stand doch die Sonne direkt über dem Leuchtturm :(

Deichgraf Hauke LandunterDeichgraf Hauke Landunter

Nun kam die Zeit der Heimreise.
Die wollte ich nicht mit dem Mofa bestreiten, mein Sohn sollte mich abholen.
Da ich noch genug Zeit hatte, fuhr ich ihm entgegen bis Tönning, auf dem Weg dorthin war noch eine recht skurrile Passage bei Kotzenbüll (der Ort heißt wirklich so):

Passage bei KotzenbüllPassage bei Kotzenbüll

Ein Schild wies Fahrrad- und Mofafahrer an, abzusteigen und zu schieben, denn das Haus ist tatsächlich bewohnt und man fährt direkt(!) an den Fensterscheiben der Wohnstube vorbei.

In Tönning waren dann insgesamt 271 km abgejuckelt und ca. 7 Liter 1:50 verbraten worden und ich wartete dann auf meinem Sohn des Sonntags auf einem großen Kaufhausparkplatz.
Ich hatte Hunger und das Einzige was es hier zu essen gab, hatte der hiesige Bistro und so aßen wir dann das Nordseeküstentypische Nationalgericht - Dönerteller.

 

 

Bildergalerie